Gesundheit in Ruanda

Die Anstrengungen Ruandas zur Verbesserung des landesweiten Gesundheitssystems gelten als beispiellos für den gesamten afrikanischen Kontinent. Nahezu 100% der ruandischen Bevölkerung sind krankenversichert und haben somit Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. Ruanda ist damit eines der wenigen Länder welche schon zum heutigen Zeitpunkt die Zielsetzung der Millennium Development Goals für das Jahr 2015 im Bereich Gesundheit erreicht haben.

Das System der Gesundheitsvorsorge ist grob in eine Krankenversicherung des formellen und des informellen Sektors untergliedert. Für Menschen des informellen Sektors greift die innovative „gemeindebasierte Pflichtkrankenversicherung“, die auch „Mutuelle de Santé“ genannt wird. Sie ist dem Gesundheitsministerium unterstellt und deckt über 85% der gesamten Bevölkerung ab. Seit 2011 wird die vom informellen Sektor lebende Bevölkerung, zum Zweck einer Staffelung der Beiträge zur Krankenversicherung, in Gruppen eingeteilt. Dies soll in Zukunft eine Benachteiligung ärmerer Menschen vermeiden, die bisher nicht erreicht werden konnte. Bis 2011 galt die Regelung, dass jeder Versicherte, pauschal, einen Beitrag von ca. 2 Euro pro Jahr zahlte, wodurch jedoch ärmere Bevölkerungsgruppen gezwungen waren einen wesentlich höheren Anteil ihres Gesamtverdienstes in die Krankenversicherung zu investieren als wohlhabendere Bevölkerungsgruppen.  Die Krankenversicherung kostet derzeit 5.000 ruandische Francs (Rwf), umgerechnet 3,35€, im Jahr. Die ärmste Gruppe muss davon lediglich 40% bezahlen, die übrigen 3.000 Rwf, also 2,01€, zahlt der Staat.

Wer zu welcher Gruppe gehört, wird durch eine Kombination aus einer Selbsteinschätzung der Versicherten sowie eine Einschätzung der Gemeindeversammlung, entschieden. Die gemeindebasierte Pflichtkrankenversicherung gibt den Menschen die Möglichkeit die örtlichen Gesundheitszentren zu besuchen. Dabei fällt für jeden Besuch in einem der Gesundheitszentren, zusätzlich zum regulären Jahresbeitrag, eine Gebühr von ca. 30 Cent (300 ruandische Francs) an. Sofern ein Patient nicht in den lokalen Gesundheitszentren behandelt werden kann, wird er an das nächste Krankenhaus überwiesen. Für den Transport im Krankenwagen dorthin müssen nochmals ca. 10 Euro (1000 ruandische Francs) gezahlt werden. Trotz der geringen Grundgebühren für die Versicherung stellt die medizinische Behandlung somit für ärmere Bevölkerungsschichten weiterhin eine große finanzielle Herausforderung dar.

Ruanda verfügt insgesamt über 525 Gesundheitszentren sowie 5 sog. Referenz[KL(1] - und 42 Distrikt-Krankenhäuser. In den Gesundheitszentren sind jedoch nicht immer Ärzte vor Ort. Zusätzlich dazu gibt es noch ein Netz von sogenannten „mobilen Gesundheitshelfern“. Diese setzen sich aus ca. 60.000 Personen zusammen, die hauptsächlich in den ländlichen Gebieten Ruandas und auf den Dörfern zusätzliche Beratungen anbieten, Impfungen durchführen und Hilfe z.B. im Vor- und Nachhinein von Schwangerschaften leisten. Die Gesundheitshelfer stehen in direktem Kontakt zu den Haushalten, wodurch eine Verbindung zwischen den Gesundheitszentren und den Menschen selbst geschaffen wird.

Angesichts der Tatsache, dass regelmäßige Arztbesuche sowie bezahlbare Medikamente vor einigen Jahren in Ruanda noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit waren und nach dem Genozid ein großer Mangel an qualifizierten Ärzten, Gesundheitspersonal, Krankenhäusern und einer adäquaten Infrastruktur bestand, ist die sich heute abzeichnende Entwicklung durchaus positiv. Inzwischen arbeiten knapp 80% der medizinischen Fachkräfte auf dem Land und profitieren von gezielten Weiterbildungsprogrammen. Die Infrastruktur wurde maßgeblich verbessert und es wurde in den Bau von Krankenhäusern sowie die Finanzierung von Krankenwagen investiert, die heute in jedem Distrikt zur Verfügung stehen. Trotz dieser Verbesserungen im Bereich der ländlichen Infrastruktur gibt es jedoch in vielen Gebieten noch immer keine ausreichend befestigten Straßen. Medizinische Noteinsätze sind unter diesen Bedingungen sehr schwierig, da es oftmals nicht möglich ist Patienten mit Hilfe eines Krankenwagens von ihrem Wohnort zu den Gesundheitszentren zu fahren. In diesen Fällen sind Familie, Freunde oder Nachbarn gezwungen den Erkrankten auf einer Trage zur nächstgelegenen Gesundheitsstation zu bringen. Pro Sektor existieren nur 1-2 Gesundheitszentren, die für die Versorgung von rund 20.000 Menschen zuständig sind. Dieser Mangel an qualifizierten medizinischen Fachkräften hat zur Folge, dass im Schnitt 15.000 Patienten auf einen Arzt und 1250 Patienten auf eine Pflegekraft fallen. In Deutschland fallen im Vergleich dazu 211 Patienten auf einen Arzt und 13 Patienten auf eine Pflegekraft in Kliniken.

Trotz alledem kann Ruanda im Kampf gegen lebensbedrohliche Krankheiten bereits Fortschritte verzeichnen. Malaria, eine Krankheit, die noch im Jahr 2005 die Haupttodesursache von Kindern unter 5 Jahren war, konnte größtenteils zurückgedrängt werden. Die Anzahl der Infektionen sind heute um 70% niedriger als noch vor einigen Jahren. Maßgeblich trugen hierzu u.a. eine präventive Aufklärungsarbeit über Infektionswege und Möglichkeiten des Selbstschutzes bei. Außerdem wurden Häuser in ländlichen Gebieten imprägniert und Haushalte mit Moskitonetzen ausgestattet. Inzwischen rangiert Malaria als Todesursache hinter Erkrankungen, wie Grippe, Masern, Atemwegs- oder Magen- und Darm-Erkrankungen.

Nennenswerte Fortschritte wurden zudem im Kampf gegen HIV/AIDS erzielt. Während die Infektionsrate an der Gesamtbevölkerung seit Jahren konstant bei 3% liegt, konnten große Fortschritte in Bezug auf die Therapie gemacht werden. Noch vor zehn Jahren hatten nur ca. 800 Patienten Zugang zu einer lebensverlängernden retroviralen Therapie; heute sind es fast 180.000 und somit 83 % aller HIV-Infizierten.

Auf Präventionsarbeit wird auch durch flächendeckende Grundimpfungen von Kindern großer Wert gelegt. Die Bedeutung der Impfvorsorge zeigt sich bei jugendlichen Mädchen z.B. an der Impfvorsorge gegen Gebärmutterhalskrebs, einer Krebsform der jährlich ca. 275.000 Frauen zum Opfer fallen. Aus diesem Grund sind in Ruanda bereits über 90% der Mädchen gegen den sog. HP-Virus geimpft, der als häufigste Ursache für den Krebs gilt. In den meisten westlichen Ländern liegt die Impfungsrate nur bei ca. 30%. 2015 waren 98% der unter ein-jährigen mit der dreifachen Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten geimpft.

Nichtsdestotrotz ist Ruanda jedoch neben den genannten Erfolgen auch mit einer Vielzahl von Problemen im gesundheitlichen Sektor konfrontiert. Besonders auffällig ist der noch immer sehr hohe Anteil (37 %) an unter- und mangelernährten Menschen, besonders bei den Kindern. Außerdem ist die Kindersterblichkeit (Tod vor dem 5. Geburtstag) mit 38 Sterbefällen pro 10000 Geburten zehn Mal höher als in Deutschland. Diese Probleme stehen in direktem Zusammenhang mit der mangelnden Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser als auch mit einer zunehmenden Knappheit landwirtschaftlicher Flächen, die zu einem Mangel an Nahrungsmitteln im Land beiträgt. Der Bevölkerungszuwachs selbst, scheint in Ruanda jedoch vor allem durch die Tatsache begründet zu sein, dass Verhütung noch bis vor kurzem ein Tabu-Thema war. Der Anstieg der Bevölkerungszahl und ein aktueller Durchschnitt von knapp 4 Kindern pro Frau, lässt die ruandische Regierung inzwischen über eine Drei-Kinder-Politik nachdenken. Während im Jahr 1990 nur 10% der Frauen Verhütungsmittel nutzten, waren es im Jahr 2015 schon 53%. Diese Entwicklung führt dazu, dass zumindest in den Städten die durchschnittliche Kinderzahl auf ca. 3-4 Kinder pro Frau gesunken ist.

Eine weitere erwähnenswerte Problematik in Bezug auf das Gesundheitssystem bezieht sich auf dessen Finanzierung. Das ruandische Gesundheitssystem finanziert sich nur zu einem Anteil von 20-40% selbst, wobei die übrige Summe von westlichen Ländern gedeckt wird. Die Gesundheitsversorgung ist somit bisher größtenteils von der Finanzierung ausländischer Sponsoren abhängig.

Im Allgemeinen führten die durchaus positiven Entwicklungen des gesundheitlichen Sektors dazu, dass Ruander derzeit, zum Zeitpunkt der Geburt, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 67 Jahren haben. Die Lebenserwartung der Frauen liegt dabei mit 68 Jahren etwas über dem Durchschnitt und die der Männer mit 65 Jahren etwas darunter (2017).

Eine Entwicklung die jedoch, trotz der angesprochenen Verbesserung im gesundheitlichen Bereich, bisher unverändert bleibt, ist die Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen noch immer wenig Beachtung und Unterstützung durch den ruandischen Staat erfahren.

 

Autorin: Hannah Posern und Lisa Kirmser