Die Bevölkerung Ruandas ist mehrheitlich christlich. Rund 45% gehören dem katholischen Glauben an, 35% dem protestantischen. Nur rund 5% bekennen sich zum Islam. Das liegt in erster Linie an der erst deutschen, später dann belgischen Kolonisation, in deren Verlauf das Land christlich missioniert wurde. Wegen der umstrittenen Rolle der katholischen Kirche während des Völkermords, wird die Kirche häufig kritisiert.
Der Islam hat seit 1994, wegen des vorbildlichen solidarischen Verhaltens der islamischen Gemeinde während des Genozids, an Ansehen gewonnen. Aber auch viele neue Freikirchen und andere charismatische Gruppen konnten sich seit 1994 etablieren.
In der vorkolonialen Zeit war der Ahnenkult die dominierende Religion. Aufgrund der Ähnlichkeiten zum Christentum, waren die Ruander leicht für das Christentum zu gewinnen. Beide sind monotheistische Religionen mit einem Schöpfergott und einer großen Persönlichkeit, die als Mittler und irdischer Repräsentant Gottes fungiert.
Traditioneller Glauben
Vor der Verbreitung des katholischen Glaubens verehrten die Ruander den Gott Imana in der vorherrschenden traditionellen Religion Ruandas. Diese monotheistische Religion verehrte einen Schöpfergott (Imana) und eine große Persönlichkeit (Ryangombe), der Mittler und irdischer Repräsentant Gottes war. Dieser Allmächtige - Imana - spielt noch heute eine Rolle, was in der Betrachtung der Namen deutlich wird, die Ruander ihren Kindern geben: Sie benennen sie nach Gott und nutzen dabei unter anderem Namen wie Twizerimana (wir trauen Gott), Habyarimana (Gott der Erzeuger), Nkundimana (ich liebe Gott) und Harerimana (Gott der Erzieher). Diese Namen zeugen von dem Glauben an einen einzigen Gott, der in unterschiedlichen Regionen jedoch auf verschiedene Art und Weise verehrt wird. Ein Sprichwort in Kinyarwanda besagt, der „liebe Gott weilt überall auf der Welt, aber am Abend kehrt er immer wieder nach Rwanda zurück“ (Imana yirirwa ahandi igataha i Rwanda). Als sich die ersten Missionare um 1906 in Ruanda niederließen, war es für sie ein Leichtes, Anhänger für den katholischen Glauben zu gewinnen. Grund dafür war die sehr starke Ähnlichkeit der Zeremonien der Katholiken und der Anhänger des Ryangombe-Kultes. So kam es, dass schon im Jahr 1920 mehr als die Hälfte der ruandischen Bevölkerung römisch-katholisch war. Heute sind schätzungsweise nur noch weniger als 1% der Bevölkerung Anhänger des traditionellen Glaubens.
Christentum in Ruanda
Die Geschichte des Christentums in Ruanda begann um 1900 mit den Missionaren des Ordens der Weißen Väter. Ihnen gelang es innerhalb kurzer Zeit große Teile der ruandischen Bevölkerung zum katholischen Glauben zu missionieren und der katholischen Kirche einen starken Einfluss auf das Land zu sichern. Keine fünfzig Jahre nach Ankunft der Missionare, wurde Ruanda dem christlichen Gott gewidmet. Vor 1994 gehörten noch etwa zwei Drittel der gläubigen Christen der katholischen Kirche an. Für ihre umstrittene Rolle während des Genozids wird die katholische Kirche bis heute stark kritisiert. Viele Katholiken haben sich als Reaktion auf die Zeit des Genozids von der katholischen Kirche abgewendet. Trotz des Rückgangs nach dem Genozid, ist der katholische Glauben in Ruanda nach wie vor am stärksten verbreitet. Etwa 45% der ruandischen Bevölkerung gehören dem katholischen Glauben an. An zweiter Stelle stehen die evangelischen Glaubensgemeinschaften. Rund 35% der Ruander werden durch verschiedene protestantischen Kirchen wie Presbyterianer, Baptisten oder Methodisten vertreten. An dritter Stelle stehen die Adventisten mit rund 10%. Seit Anfang der 2000er konnten lokale Freikirchen wie beispielsweise die "Restoration Church" oder "Zion Temple" einen starken Zuwachs an Anhängern verzeichnen.
Islam in Ruanda
Wie auch die Freikirchen hat der Islam nach dem Genozid an Bedeutung gewonnen. Der Aufruf zum Gebet, verschleierte Frauen und Minarette sind in Ruanda noch immer eine Seltenheit. Angaben der New York Times zufolge hat sich die Anzahl der Muslime in Ruanda in der Zeit nach dem Genozid verdoppelt und lag damit im Jahr 2004 bei rund einer Million. Beruhend auf der jahrhundertelangen Tätigkeit der arabischen Händler an der Ostküste Afrikas ist der Islam schon lange ein elementarer Bestandteil Ostafrikas. In Ruanda ist der Islam, der New York Times zufolge, die am schnellsten wachsende Religion. Die ruandischen Muslime gehören nahezu ausnahmslos der sunnitischen Glaubensrichtung an, die über die ostafrikanischen Küstengebiete des heutigen Kenia und Tansania nach Ruanda gelangte. Eine deutliche Minderheit bilden Inder und Araber, die aus geschäftlichen Gründen nach Ruanda emigrierten. Sheikh Saleh, Mufti und Oberhaupt der islamischen Gemeinde Ruandas, schätzt die Zahl der ruandischen Muslime auf etwa 700.000 Personen, was 8 Prozent der Bevölkerung entspricht. Im heutigen Ruanda leben Muslime und Angehörige anderer Religionen friedlich nebeneinander und genießen dank der neuen ruandischen Verfassung eines laizistischen Staates aus dem Jahr 2003 Religionsfreiheit. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die früher praktizierte Ausgrenzung nicht-christlicher Religionen der Vergangenheit angehört, ist die Gleichberechtigung christlicher und muslimischer Feiertage, die beide als nationale Feiertage begangen werden.
In Ruanda wurden Muslime und Christen nicht immer gleich behandelt. Den arabischen Händlern entlang der ostafrikanischen Küste war es bis zum Beginn der deutschen Kolonialzeit von den ruandischen Königen verwehrt worden, sich in deren Einflussgebiet niederzulassen. Der Islam stand in den deutschen ostafrikanischen Gebieten stellvertretend für Einflüsse, die eine christliche Zivilisierung des Landes verhinderten und wurde von der europäischen Kolonialmacht zunehmend als Gefahr wahrgenommen. Trotz der wachsenden muslimischen Bevölkerung wurde die Einwanderung arabischer Händler zu Beginn der deutschen Kolonialverwaltung durch schriftliche Genehmigungen und Initiativen der Deutschen behindert. Nach der Machtergreifung durch Habyarimana 1973 verbesserte sich die Situationder Muslime schließlich durch die Aufhebung der Niederlassungsbeschränkungen. Viele von ihnen zogen aufs Land und es wurden zum ersten Mal Moscheen auch außerhalb des städtischen Bereichs gebaut. So gab es im Jahr 1990 in Ruanda rund 250 Moscheen und 1974 wurde in Kigali ein islamisches Zentrum erbaut. Gemäß einer Regierungsanweisung wurde bereits 1964 die Association des Musulmans du Rwanda (A.M.U.R.), als Vertretungsorganisation aller Muslime Ruandas, gegründet.
Die Zeit des Genozids war entscheidend für die muslimische Bevölkerungsgruppe. Als das Land in Chaos verfiel, wurden auch Muslime gezwungen, sich den Gewaltanweisungen der Hutu-Extremisten zu stellen. Muslime waren eine der wenigen Gruppen, die sich den Gewaltaufrufen kaum folgten und sich minimal an den Massakern beteiligten. Imame riefen zu Frieden und Gewaltfreiheit auf und das Tötungsverbot sowie die Hilfe für Notleidende wurden als islamische Werte eingefordert. Muslime waren auch aus anderen Gründen kaum in die Massaker verwickelt: Sie identifizieren sich hauptsächlich über ihre Religion und weniger über ihre ethnische Zugehörigkeit.
Seit dem Völkermord haben sich die Ansichten der Bevölkerung gegenüber dem Islam geändert und Muslime werden nicht mehr als Bürger zweiter Klasse angesehen. Heute sehen muslimische Ruander, beispielweise bei der Jobsuche, keinen Nachteil mehr darin, Muslim zu sein. Auch im Versöhnungsprozess spielen Muslime eine entscheidende Rolle: Sheikh Saleh Habimana, Mufti von Ruanda, leitet die nationale Interfaith Commission mit dem Ziel, Akzeptanz zwischen den Mitgliedern der verschiedenen Religionen in Ruanda aufzubauen und die interreligiöse Zusammenarbeit zu intensivieren.
Eine Zusammenstellung aus Texten von Michael Nieden, Marie-Claire Muhagatera und Rachel Seigneur
Quellen und empfohlene Literatur:
Ruanda Revue, Ausgabe 1/2015, Thema Religion in Ruanda. Diese Ausgabe können Sie hier herunterladen.
Rwanda before the Genocide, (Catholic Politics and Ethnic Discours in the late Colonial Era) by J. J.Carney, 2014 Oxford University Press.
Histoire du Christianisme au Rwanda (Des origins à nos jours), Tharcisse Gatwa/Laurant Rutinduka, 2014 Editions Clé, Yaoundé.